Abfallwirtschaftkritik

Das Anliegen der Autoren ist es, die Berichterstattung zur Abfallwirtschaft zu ergänzen und auch zur Aufklärung dubioser Geschäfte beizutragen, die der deutschen Wirtschaft Schaden zufügen. Wir konzentrieren uns vorerst auf die mechanisch-biologische Abfallbehandlung - MBA.

Montag, 17. Januar 2011

Grüner Referent Weltzin gegen MBA - Müllverbrennung akzeptabel - Sabotage von Export für Recyclingtechnik

Der amerikanische MVA-Anbieter Covanta
http://www.covantaenergy.com
möchte in Dublin eine große Müllverbrennungsanlage bauen, den „Poolbeg incinerator“. Die angepeilte Kapazität von 600.000 Jahrestonnen sorgte in der Gegend jedoch für ziemlichen Ärger. Zu groß, sagen die einen. Wenn er nicht voll wird, werden Riesenstrafen fällig. Gerade richtig, meinen die anderen. Er wird allemal voll. Angedacht ist nun ein halb so großer Müllofen, der aber immer noch hitzig diskutiert wird.

Ein Streitpunkt in Irland ist die grundsätzliche Haltung der Regierung zur Müllverbrennung. Sie solle sich doch mal für eine klare Linie entscheiden, sagen die Parteien, pro MVA oder pro MBA (Mechanisch-Biologische Abfallbehandlung). Doch die Regierung eierte lange Zeit rum, um möglichst wenig Prügel zu bekommen. Jetzt schlägt die Pendeldiplomatie gegen die Dubliner Verbrennung aus. Zudem kommt eine allgemeine Müllverbrennungssteuer.

Der Hickhack um den Poolbeg-Ofen währt seit 2007, als Covanta eigentlich den Zuschlag bekam. Die Äußerungen der Amerikaner waren seitdem selbstbewusst und manchmal ruppig, ganz anders als die des belgischen MVA-Bauers Indaver nv,
http://www.indaver.com
der an anderen irischen Standorten MVA plant und eher den freundlichen Umgang sucht.

Öl ins Feuer goss Anfang 2011 die Zeitung Irish Independant. Sie zitierte den deutschen Grünen-Referenten Dr. Michael Weltzin als Befürworter von MVA und Gegner von MBA.
http://www.independent.ie/national-news/ministers-policy-directly-contradicts-views-of-german-greens-2483962.html

Wahrscheinlich wurde Weltzins Präsentation auf dem ESWET Workshop in Brüssel am 11. Oktober 2010 herangezogen.
http://www.eswet.eu/fileadmin/user_upload/Documents/Presentations/2010.10.11_Workshop/ESWET_Workshop_Weltzin_11.10.2010.pdf

ESWET steht übrigens für „European Suppliers of Waste to Energy Technology“, die (Lobby-)Organisation der europäischen MVA-Industrie.
http://www.eswet.eu

Weltzins Hauptstoßrichtung in dem Brüsseler Vortrag war das Ende der Deponierung. Pyrolyse wurde als missglückte Vergangenheit eingeordnet, MBA als unzulängliche, explosionsgefährdete Übergangslösung und moderne MVA als akzeptabel. Wurde er vielleicht missverstanden?

Wohl nicht. In einem Bericht an den Stadtrat von Dublin, so der Irish Independent, wies Weltzin unlängst darauf hin, dass es mit MBA größere technische Probleme und keinen Markt für die (erzeugten) Brennstoffe gab.

Auch in der Irish Times wurde Weltzin zur Bewertung von MVA und MBA zitiert.
http://www.irishtimes.com/newspaper/frontpage/2011/0104/1224286703132.html

Schon einen Tag nach der Veröffentlichung bekam der Grünen-Referent kalte Füße und ruderte heftig zurück, obwohl doch seine Aussagen in Brüssel nachlesbar ziemlich klar waren. In einem Leserbrief an die Irish Times schrieb er, dass er aus dem Zusammenhang gerissen zitiert worden sei und der Eindruck falsch sei, die deutschen Grünen würden die Müllverbrennung befürworten.
http://www.irishtimes.com/newspaper/letters/2011/0106/1224286878775.html

Ja ne, wie denn nun Herr Weltzin? Noch alles im grünen Bereich? Ist 2011 alles anders als vor drei Monaten? Wenn Sie mit „Deutscher Bundestag“ firmieren, müssen Sie schon damit rechnen, dass jemand genau hinschaut.

Da fragen wir uns natürlich: Wo stehen die Grünen in Deutschland? Ist Weltzin ein isolierter Einzelkämpfer oder Querschläger? Oder ist es jetzt grüne Politik, den Export deutscher MBA-Technik zu sabotieren?

Der einzig mildernde Umstand für Weltzin: Er ist in eine offensichtliche Fehde zwischen Irlands Umweltminister John Gormley – contra Poolbeg – und Dublins City Manager John Tierney – pro Poolbeg – geraten und hat sich aus Trotteligkeit in Dublin auch noch dazu geäußert.

So kann man den Herrn erreichen:

Dr. Michael Weltzin
Referent für Klimapolitik und ökonomische Instrumente der
Umweltpolitik der Bundestagsfraktion
Bündnis 90/Die Grünen
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Tel.: (0 30) 2 27-5 23 14
E-Mail: michael.weltzin@gruene-bundestag.de

Die Grünen Abgeordneten:
http://www.gruene-bundestag.de/cms/abgeordnete/rubrik/5/5918.abgeordnete.html

Ein gutes Jahr 2011 wünscht unseren Lesern das
Autorenkolektiv Abfallwirtschaftkritik


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Irish Independent, Wednesday January 05 2011
Minister's policy directly contradicts views of German Greens
ENVIRONMENT Minister John Gormley's opposition to incineration directly clashes with the views of his German Green counterparts.
The minister insists incineration is outdated and that Ireland needs to embrace other technologies such as mechanical biological treatment (MBT).
However, in a recent presentation to Dublin City Council, the scientific adviser to the German Green Party, Dr Michael Weltzin, stated that the advantage of having incinerators was that they were the "proven technology for many years".
Dr Weltzin points out that the benefits of incinerators include low emissions, no landfilling, and high efficiency in recovering heat and electricity.
The Poolbeg energy-from-waste plant would produce 56 MW (megawatts) of electricity; enough for 80,000 homes and 20pc of Dublin's household electricity needs.
It would also provide district heating for up to the equivalent of another 60,000 homes.
Mr Gormley is opposing the construction of the facility, which would involve 500 construction jobs and up to 100 permanent jobs afterwards.
Dr Weltzin says the Greens in Germany, where the party began, were strictly opposed to incineration in the 1980s because of low-emission standards for dioxins.
However, during the 1990s cleaner incineration technologies became available as the awareness about global warming as a major problem grew.
Also, pollution coming from landfills came to be recognised as a serious problem.
Dr Weltzin warns that landfills are "black boxes, with uncontrolled biological and chemical processes.
"They need intensive care for generations, leaching water has to be treated for years.
"You have the permanent danger of leaks, with major impacts for groundwater and soil.
"Such problems are usually not reparable," he adds.
"This is why the Greens are campaigning to entirely end the disposal of waste from humans on landfill sites by 2020," the Green scientist told Dublin city council officials in a report.
And he points out that mechanical biological treatment -- the process which is favoured by Mr Gormley instead of the proposed Poolbeg incinerator -- had "major technical problems, no market for the solid fuels, and landfilling is still necessary".
- Treacy Hogan and Paul Melia
Irish Independent
http://www.independent.ie/national-news/ministers-policy-directly-contradicts-views-of-german-greens-2483962.html



The Irish Times - Thursday, January 6, 2011
German Greens' policy on waste
Madam, – I was quoted in the article (“New levies may scupper plans to restart Poolbeg incinerator work”, January 4th) in the context of waste incineration. This citation out of context accrues the wrong impression, that the German Greens are promoting incineration. The correct position is: “waste to energy” has to be the last step in a hierarchy after avoidance, reuse and recycling, to deal with the leftovers. Therefore, the capacity of an incinerator has to match the local demand, otherwise there will be no incentive for avoidance and recycling.
The presentation referred to was specific to the situation and waste infrastructure in Germany, especially in the context of mechanical and biological treatment (MBT). The paper is not intended as a prescription for everywhere in Europe. – Yours, etc,
Dr MICHAEL WELTZIN,
Advisor for Climate Policy to the Parliamentary Group of The Greens in the German Bundestag,
Berlin,
Germany.
http://www.irishtimes.com/newspaper/letters/2011/0106/1224286878775.html